Dr. Sandra Eleonore Johst
Immer mal wieder lese ich aus klassischen Texten unserer Philosophiegeschichte vor und bringe sie so ins Hier und Jetzt. Es ist eine Einladung dazu, den Alltag auf Pause zu schalten, sich zurückzulehnen, zu besinnen und durch das Lauschen spannende Gedanken zu entdecken. Die von mir zitierten Textstücke werden durch eine kurze Einordnung eingeleitet und durch einen Interpretationsvorschlag abgerundet, um einen Einstieg in die Philosophie und das eigene Philosophieren zu ermöglichen.
Immer wieder dieselben Gedanken - zu denselben Fragen, denselben Themen. Ungefragt kommen sie dann, wenn es um uns herum ruhiger wird, meistens abends. Sie zu denken, führt zu keiner Lösung, denn sie drehen sich im Kopf in den immer gleichen Schleifen. Oftmals hindern sie uns daran einzuschlafen. Wer dieses Gedankenrauschen kennt, hat vielleicht auch dieselbe Angewohnheit wie ich entwickelt: Zum Einschlafen ein Hörbuch zu hören. Denn das Lauschen von Geschichten durchbricht das Rauschen von Gedankenkreisen, beruhigt und kann angenehm in den Schlaf überleiten.
Wir alle leben im Hier und Jetzt, haben unseren Alltag, die vielen kleinen und oftmals großen Probleme, die uns beschäftigen. Für eine Lösung kann es helfen, etwas Abstand von der aktuellen Situation zu schaffen. Den Alltag auf Pause zu schalten und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Was bedeutet es, ein glückliches Leben zu führen? Wie sollten wir unser Zusammenleben gestalten? Philosophische Texte beschäftigen sich mit diesen grundsätzlichen Fragen, zeigen so unserem Denken eine neue Richtung oder schaffen es sogar, uns eine neue Perspektive zu öffnen.
Die abendländische Philosophiegeschichte ist die Geschichte unseres Denkens. Sie bringt uns ins Gespräch mit vergangenen Epochen, der Hartnäckigkeit unbewusster Vorurteile und dem Streben nach vernünftiger Klärung unlösbarer Fragen. Kurz: Sie macht uns vertraut mit Möglichkeiten und Grenzen unseres Wissens. Deswegen ist sie für uns eine wichtige Quelle für Orientierung. Aber die unfassbare Menge an Texten kann auch überfordern. Das große Ganze sollte uns aber nicht davon abhalten, einen Anfang der Reise zu wagen: Von einer Wissensinsel zur nächsten, ohne Eile, im eigenen Tempo.
Deswegen begegnen wir ihm in diesem Jahr vermehrt in Zeitungsartikeln und Veranstaltungen! Auch die Münchner Volkshochschule hat ein umfassendes Programm zu diesem Anlass erstellt - von Vorträgen zu Lektüregruppen ist dieses Sommersemester alles dabei!
Zu seinem bekannten Aufsatz "Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?" gibt es bereits eine Folge! Viel Freude beim Kennenlernen der Gedanken dieses spannenden Philosophen aus dem 18. Jahrhundert!
Wie wir uns für große Menschheitsziele motivieren können: Kants Idee einer Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (Folge 13):
Lässt sich aus dem Zusammenspiel menschlicher Handlungen vielleicht insgesamt doch ein Sinn ablesen? Ein Zweck unserer menschlichen Gattung? Kants Idee zu dieser Frage, die er 1784 veröffentlichte, lautete: Vielleicht lässt sich unsere Menschheitsgeschichte als ein Naturplan interpretieren, der uns letztlich doch irgendwann zu einem vernünftigen Zustand führen wird. Einem vereinigten Völkerbund, einem weltbürgerlichen Zustand, in dem wir uns moralisch begegnen können.
Mit dieser Idee möchte Kant uns dazu motivieren, nicht auf eine andere Welt zu hoffen, sondern vernünftigerweise alle Hoffnung auf unsere Welt und ihre Möglichkeiten zu setzen.
Wie können wir heute Motivation schöpfen, um uns trotz aller Herausforderungen, Krisen und Problemen für eine lebenswerte, menschliche Welt einzusetzen?
Wie sollen wir damit umgehen, dass unser Planen und unser Einfluss klare Grenzen hat? Dass wir nicht kontrollieren können, was uns in unserem Leben alles an Herausforderungen und Schicksalsschlägen begegnen wird? Ich bin davon überzeugt: Eine starke Persönlichkeit kann uns bei dem Umgang damit helfen und uns Stabilität geben. Sie ist kein Zufall, sondern ein Prozess. In meiner philosophischen Beratung gehe ich davon aus, dass uns das Philosophieren als Suchen von Gründen und Hinterfragen von scheinbarer Selbstverständlichkeit dabei helfen kann, diesen Prozess bewusst zu gestalten.
Warum das Philosophieren Orientierung bieten kann, dafür gibt ein klassischer Text aus unserer Philosophiegeschichte ein Beispiel: Trost der Philosophie von Boethius. Gleich zu Beginn diagnostiziert Philosophia den Grund für den unglücklichen Zustand des Boethius: Er habe vergessen, dass er nicht nur ein Mensch sei, sondern auch ein Selbst. Vielleicht leiden ja auch wir bisweilen an dieser Art 'Selbstvergessen', für das das Philosophieren den ein oder anderen Linderungsversuch bereithält.